Ratgeber: Gourmetläufer oder Laufstress?

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Copyright: Herbert Steffny

Spasslaufen, Gourmetlaufen - Training für maximales Wohlbefinden

Frage von Michael M.:

Hallo Herr Steffny,
mir ist klar, dass Sie vermutlich in Emails ersticken und keine Zeit zum Antworten haben.
Dennoch versuche ich mein Glück, da Sie sportwissenschaftlich sehr interessiert und kompetent sind und ich nicht wirklich Antworten auf meine Fragen finde.

Ich bin 34 Jahre alt, von Beruf Musiker (Posaunist) und langjähriger, konsequenter Hobbysportler. Ich wiege ca. 82 kg, bei einer Körpergröße von 1,89m. Ich treibe seit meiner Kindheit Sport und laufe regelmäßig seit ich 16 bin, also seit ca. 18 Jahren. Sport und Musik sind (wie viele vielleicht nicht realisieren) stark verwandt, da man bei beiden Dingen auf ähnliche Art trainiert. Vor meinem Musikstudium habe ich sogar 1 Jahr lang Sport studiert, um dann letztlich doch bei meiner Posaune zu landen.

Was mich beschäftigt ist folgendes: Man erhält häufig Antworten darauf, was man tun muss um möglichst effektiv für Wettkämpfe zu trainieren und die eigene Leistung zu steigern und darauf, wie man trainieren muss, um die optimalen Gesundheitsvorteile zu erhalten. Ich habe eine Frage zum Laufen, die ich in dieser Form noch nicht gesehen und auf die ich auch bisher keine Antwort erhalten habe: Wie kann ich so trainieren, dass ich dadurch das maximale körperliche Wohlbefinden erhalte? Wettkämpfe finde ich persönlich irgendwie nicht interessant (vielleicht weil ich bereits mein Instrument sozusagen wettkampfmäßig betreibe) und die Vorzüge des Laufens für die Gesundheit genieße ich bereits. Ich habe auch in Erfahrung gebracht, dass es die Anhänger des sogenannten "streak runnings" gibt. Das scheint mir aber trotzdem eher auch ein Wettkampf zu sein als ein wissenschaftliches Prinzip, da es ja einfach darum geht, nie einen Tag Pause zu machen (was sicherlich unsinnig ist). Auf die Frage bezogen entstehen so weitere Unklarheiten: Ist tägliches Laufen für das Wohlbefinden vorteilhaft oder läuft man lieber die gleiche Menge an weniger Tagen, dafür aber länger, z.B. weil das Übertrainingsrisiko geringer ist? Sind Läufe in höheren Pulsbereichen auch für das körperliche Befinden förderlich? Bedeuten eine höhere läuferische Leistungsfähigkeit und umfangreicheres Training auch ein besseres Körpergefühl und bessere Gesundheit oder schlägt es irgendwann zum eigenen Nachteil um? Wie Sie sehen geht es mir sozusagen als Hedonist darum, das Glücksgefühl des Laufens in größtmöglichem Maße zu genießen um möglichst ausgeglichen und zufrieden im täglichen Leben zu sein. Über jegliche Hilfe dabei freue ich mich.
Herzliche Grüße und danke für die guten Bücher.

Antwort von Herbert Steffny:

Hallo Michael M.,

ja,ja... ich ersticke wirklich in Fragen.... aber die ist interessant, daher etwas ausführlichere Gedanken:

Das ist doch gar nicht abwegig, was Sie vorhaben. Viele haben Laufen nicht richtig verstanden, sie machen sich zum Berufs- und Alltagsstress noch überehrgeizigen Laufstress. Ich selbst spreche gerne vom "Gourmetläufer" und wir veranstalten sogar solche
Seminare, bei denen der Genuss, auch vollwertiges leckeres Essen (Olympiakoch Charly Doll) im Vordergrund steht, was sich aber auch für Ambitionierte mit Wettkampflaufen kombinieren läßt.

Im
"Großen Laufbuch" schreibe ich einiges zu diesem Thema. Das "Wettkampfkapitel" beginnt damit, dass ich erst mal davor warne auf was man sich hier einläßt. Wettkämpfe können den Spass versauen, Leistungsdruck erzeugen, zu Verletzungen führen usw.... Aber es hat natürlich andere Reize.... Grenzen erweitern, bei der Stange bleiben, weil man sich einen Marathon vornimmt usw.

Täglich muss niemand laufen, diese Forderung ist Unsinn, weder für Gesundheit notwendig (da reicht schon dreimal), noch mit Gewalt fürs Wohlbefinden, es sei denn jemand hat leichte Ansätze zum "Suchtläufer".  Das ist aber immer noch besser als Rauchen oder Frustessen oder Saufen. Spasselemente im "Gourmettraining" wären meines Erachtens es wirklich nach Lust und Laune zu betreiben. Das muss jeder selbst finden. Wie oft und wieviel, das sagen das Zeitbudget und die Knochen. Einen Plan dazu, muss sich jeder eigentlich selbst schreiben. In Tat sollte das meiste im aeroben Bereich gelaufen werden. Je besser man in den Körper reinhorchen kann, mit ihm, statt gegen ihn trainiert, also ein gutes Körpergefühl entwickelt, desto eher gelingt es einem zum Spass- und Lustläufer zu werden, der nebenbei das Minimum für Gesundheitslaufen sowieso erfüllt.

Ich selbst mache das zur Zeit so: mal sitze ich auf dem Rad, v.a. wenn das Wetter schön ist. Wenn die Zeit knapper ist, dann laufe ich eben. Wenn ich Bock habe, laufe ich auf einen Berg und freue mich über die Aussicht, und dass ich das kann. Das "freie Fahrtspiel" ohne strenge Vorgaben ist dazu eine lustvolle Methode (Methodik s.
"Großen Laufbuch"). Dabei darf man auch mal in den "roten Bereich" kommen, also kurz "die Sau rauslassen"...., wenn man will und sich gut fühlt. Das meiste Training sollte aber im "grünen Bereich" bleiben, also im Sauerstoffüberschuss, wo man auch prima seinen Gedanken nachgehen bzw. -laufen kann. Im Winter betreibe ich Skilanglauf (wohne im Hochschwarzwald, Titisee), wenn genug Schnee da ist. Effekt: ich bin gesund, kann alles (möglichst gesunde und vollwertige) ohne schlechtes Gewissen essen und bin gut drauf (denke ich doch... ;-)). Grob halte ich wenigstens 3 bis 4 mal Training pro Woche ein. Wenn ich wieder ernsthaft Wettkämpfe laufen möchte (vielleicht 2008? M55) dann steigere ich von diesem "Standby-Level" mein Training und werde vom "Gourmetläufer" wieder zum fleißigen Leistungsläufer.

Jetzt wurde die Antwort doch länger, aber vielleicht hilft das weiter. Ihren persönlichen Spasslevel und die passenden (v.a. Ausdauer-) Sportarten und Zeitaufwand müssen Sie nach ihrem Geschmack selbst finden. Die Zutaten können auch Bergwandern, Kanufahren, Schwimmen, Schnorcheln oder Tanzen sein....

Nachtrag: Der Zusammenhang von Musik und Laufen ist mir als früherem Schlagzeuger ganz klar. Es gibt klare neurobiologische Hinweise dafür, es werden ähnliche Zentren angeregt, aber ich schildere es mal mit meinen Worten so:

"Beim Laufen sind das Trommeln der Beine auf dem Untergrund, der Armschwung, der Herzschlag und das gleichmäßige Atmen gewissermaßen die Rythmusgruppe, auf denen die Gedanken wie ein improvisiertes Gitarrensolo frei und kreativ fliegen können. Hin und wieder gibt es einen "break" aus dieser Gedankenwelt, vielleicht ein Naturerlebnis, ein Reh, eine tolle Aussicht oder auch ...eine rote Ampel....

Auch das ist Gourmetlaufen...

Keep on (Spass-) Running

Herbert Steffny

verwandt: Trainingsplan für Fitnessläufer ohne Wettkampfambitionen


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